Joseph Stöcklein
1.A Joseph Stöcklein sammelte eine große Anzahl von jesuitischen Missionarberichten, übersetzte sie ins Deutsche und druckte sie 1726 in einem großen Werk ab. Eine Kopie davon befindet sich in der University of Arizona Library, Rare Books Collection (BV 2290. A.271642). Daraus werden hier einige Exzerpte genommen. Von besonderem Interesse wird der Brief von Pater Kino sein, der weiter unten von Pater Gilg paraphrasiert wird:
Joseph Stöcklein, Allerhand So Lehr= als Geist=reiche Brief / Schrifften und Reis=Beschreibungen/ Welche von denen Missionariis der Gesellschaft Jesu aus Beyden Indien / und andern Über Meer gelegenen Laendern Seit An. 1642. biß auf das Jahr 1726 in Europa angelangt seynd. Jetzt zum erstenmal Theils aus Handschrifftlichen Urkunden / theils aus denen Franzoesischen Lettres Edifiantes verteutscht und zusammen getragen (Augsburg-Graz: Philips/Martins/ und Jh. Veith seel. Erben/ Buchhaendlern/1726).
Das Deutsch des 18. Jahrhunderts wird nachfolgend modernisiert und der Text möglichst vereinfacht, ohne uns vom Original zu weit zu entfernen:
“II. Absatz: Allgemeine Vorrede des Verfassers über dieses ganze Werk:
1.B Niemand ist unbekannt, daß alles, was aus fremden Ländern nach Deutschland gebracht wird, unsere Neugier mehr als alle einheimischen Seltsamkeiten kitzelt (anregt), weil nämlich fast allen Menschen fremdes Brot besser [als das eigene] zu schmecken pflegt. Dennoch gebührt diesen Welt- und Reisebeschreibungen ohne Widerrede der Vorzug, weil ein neugieriger Leser, ohne einen Schritt zu tun, zu Hause sitzen und einfach durch Lesen solcher Schriften die ganze Welt durchwandern kann, wobei er selbst eine fast vollständige Kenntnis des ganzen Erdkreises ohne Gefahr, Unkosten oder Mühe zu erwerben vermag.
1.C. So ist es auch in der Hauptsache mit diesem Werk, welches aus vielen hunderten von Briefen, Schriften, Nachrichten und Reisebeschreibungen der jesuitischen Missionare, die aus Amerika, Afrika, China, Ostindien, aus der Tartarei, aus Persien, aus der Türkei und aus Großasien, mit einem Wort aus fast allen Ecken der Welt seit Anno 1624, besonders aber seit 1680 bis 1726 in Europa angelangt sind, bestehen wird. Obwohl diese wegen ihres Berufs uns hauptsächlich von der Bekehrung der Heiden, von der Form ihrer neuen Christenheit, von ihrem Trost und Elend oder kurz gesagt von ihren Missionen Bericht erstatten, so unterlassen sie es doch nicht, bei dieser Gelegenheit uns über fast alle Wissenschaften und Künste viele sehr nützliche Kenntnisse zu vermitteln. In der Weise wird jeder wie auf einem Jahrmarkt unterschiedliche, für ihn nützliche Waren finden wird, die ihm in den Kram passen.
2. A Die Theologen oder Gottesgelehrten werden die Theologie oder Götzenlehre der uralten und heutigen Brahmanen, aber auch der altheidnischen Ägypter, Chaldäer, Griechen und Römer mit Lust lesen und selbst erkennen, daß genauso wie heute in Ost-Indien, so aber auch vor langer Zeit bei den alten Heiden die Theologie und Poesie sehr eng miteinander verbunden gewesen sind, so daß ihre Religion und ihr Aberglauben in diesen alten Liedern, Reimen und Gesängen enthalten sind. Daher wird auch in diesem Buch der Glaube, Wahn und Irrtum fast aller Völker in Ost- und Westindien, und so auch der Tartaren, Chinesen, Mahometaner [Mohammedanern?], Abessiniern, Griechen und vieler anderer anregend vor Augen geführt.
2.B. Die europäischen Juristen oder Rechtsgelehrten werden hier sehen, daß auch bei den Heiden oftmals die Gerechtigkeit ohne Ungleichheit, ohne subjektive Abweichungen, ohne lange Verzögerung und ohne unerschwingliche Gerichtskosten verwaltet wurde.. . . Vielen Juristen werden in diesem Werk herrliche Beispiele einer außerordentlichen Gerechtigkeit, manche merkwürdige Gesetze unterschiedlicher Völker und ihre Gerichtsordnungen nicht wenig gefallen.
2.C. Die Arzneikundigen werden ebenso viel Neues und somit hoffentlich ihr Vergnügen finden, teils an den Seltsamkeiten, die man von den Philosophen hört, teils an den Heilmitteln, welche die unterschiedlichen Völker der Erde benutzen, besonders in den ostindischen Arzneibüchern unseres Paters Papin, welcher in seinen unterschiedlichen Briefen die Kunst mitgeteilt hat, die Kinder gegen die Kind-Blattern [Windpocken?] zu impfen und damit der erste war, der aus China [darüber] Nachricht nach Europa gesandt hat.
…………
2.D. Die Ethici oder Sittenlehrer werden mehr als alle anderen beim Durchblättern dieses Werkes die Sitten, Gebräuche, Tugenden und Laster, die Geschichtsschreiber aber einen Haufen merkwürdiger Geschichten, die Staatsmänner [Politiker] viel Chaos ganzer Königreiche und Länder, die Höflinge einen ewigen Wechsel des Glücks, die Soldaten so manche siegreiche Kriegslist, Schlachten und Feldzüge, die Handwerker (wie die Töpfer, Weber und andere mehr) manche Kunstgriffe sehen, mit dem die letzteren einen guten Porzellan, schönen Musselin [Stoff], die zarteste Leinwand und andere wertvolle Arbeit in unseren Ländern anfertigen können.
……..
2.E. Da aber unsere Missionare durch dauernde Erfahrungen zu ihrem größten Leid erfahren, daß dort, wo der mohammedanische Fabel-Glauben [Irrglauben] sich einmal einnistet [festsetzt], dort das Christentum entweder nicht sich entwickeln kann, oder, wenn es gepredigt wird, keinen Bestand hat. An anderen Orten dagegen, wo der Koran entweder unbekannt ist oder ganz abgelehnt wird, siegt der wahre Glaube über die Abgötterei. Daraus folgt, daß man mit gutem Grund an der Beharrlichkeit des Christentums zweifeln kann, weil sich die mohammedanische Sekte nicht nur in der Tartarei, in dem ganzen mogorischen [?] Kaiserreich und in China, sondern auch in Madura, Malabaria, Pegu, Siam, Malakka, Java, wie auch auf den Philippinen, ja in allen morgendländischen Ländern wirklich ausgebreitet hat, sondern täglich zunimmt. Umso mehr kann man bessere Hoffnung an dem Bestand der Missionen in Amerika hoffen, wo die Lehre des Mohammeds bisher noch nicht festen Fuß gefaßt hat.”
……..
3. A. Aus den edierten Texten wähle ich den Brief von Adam Gilg aus der böhmischen Provinz (heute Tschechische Republik) an einen unbenannten Priester, geschrieben in Mexico Stadt am 8. Okt. 1687 (107ff.)
“Endlich sind wir in der Hauptstadt Mexiko, dem Ziel unserer Reise, am 5. Oktober 1587 angelangt. Wir waren vom Hafen in Cadiz aus am 30. Juni in See gestochen, [mußten aber gleich wieder eine Pause einlegen], und fuhren am 1. Juli mit vollen Segeln in einer Flotte von 23 Schiffen im Namen des Allerhöchsten unter Anführung des spanischen Obrist-Generals Herrn Don Fernando de Santilian… Am 15. September kamen wir in Veracruz an… Kaum hatte unser Schiff den Anker geworfen, als ein Nachem [Boot] im Namen des Ehrwürdigen Pater Rector uns abholte und an Land brachte…. In dem Colleg zu Veracruz, wo wir alle Liebe und Höflichkeit erfuhren, hielten wir uns nicht länger als 3 Tage auf, wonach wir unsere Reise nach Mexiko fortsetzten, wo wir auch im dem dortigen Colleg und in dem von Engelstatt oder Puebla bestens empfangen wurden. Der ehrwürdige Pater Provincial war uns zwei Stunden von Mexiko aus entgegengefahren. Er hat uns ein gutes Mittagessen und dann drei Kaleschen [Kutschen] bis hin zur Vorstadt gegeben. Dort zwang man uns, prächtige Kutschen, welche uns die spanischen Herren entgegengeschickt hatten, zu nehmen, die herrlicher waren, als wir es wünschten.
3.B. Kaum hatten wir uns von einer so langen Reise etwas erholt, als wir Lust bekamen zu erfahren, wo jeder von uns hingehörte. Dies wurde uns bald gesagt. Ich erhielt den Befehl, mich als Amtsgehilfen zum Pater Eusebio Chino [Kino] aus der Oberdeutschen Provinz zu begeben, welcher der erste ist, der in California den Heiden das Evangelium gepredigt hat und selbst durch eigene Beobachtung erfahren hat, daß diese Landschaft eine Insel, die durch eine sehr schmale Meeresenge, die man an einem Tag überquert, von Nordamerika oder von der Landschaft Sonora, die im Osten oder Norden liegt, ganz getrennt ist. Weil aber die Herren Spanier sich geweigert haben, ihm dort für seinen Unterhalt [sein Leben] das Geringste zu geben, war er gezwungen, diese Insel gegen seinen Willen wieder zu verlassen und sich an der Meeresküste gegenüber im Gebiet Sonora niederzulassen. Von dort kann er, so oft wie nötig, nach Californien, dessen erster Apostel er ist, hinüberfahren und seine dort neu gestiftete christliche Gemeinde besuchen. Er hat zwar zwei Mitarbeiter verlangt, soll aber froh sein, daß man ihm einen gegeben hat. Überall nehmen die amerikanischen Heiden den christlichen Glauben an, so sich unsere Missionare allein oder zu zweit in unterschiedlichen Ländern ausbreiten müssen, weil er selbst in der eben genannten Landschaft Sonora neue Völker entdeckt und Bemühungen unternommen hat, sie zu bekehren.” (109).
Fragen zu Stoecklein:
1. Worum handelt es sich bei diesem Welt-Bott?
2. Warum sind diese jesuitischen Berichte laut Stoecklein so wichtig für viele Leser?
3. Woher stammen alle diese jesuitischen Berichte?
4. Was können die Theologen daraus lernen?
5. Was können die Juristen daraus lernen?
6. Was können die Pharmazeuten davon lernen?
7. Was sagt Stoecklein über die Sittenlehrer? Was für Leute sind das wohl? Welche anderen Berufe profitieren davon?
8. Worin besteht der globale Konflikt zwischen Christen und Muslimen laut Stoecklein?
9. Welche Reiseerfahrungen machte Adam Gilg?
10. Was berichtet Gilg über Eusebio Kino?
4.A.. Gilg war nicht selbst in Sonora und druckte daher paraphrasierend einen Brief Kinos ab:
“Wir sind (schreibt er) von Cucurpe, welches die letzte Mission im nordwestlichen Teil der Landschaft Sonora ist, am 13. März 1687 zu einem neuen heidnischen Völcklein [Volk] gelangt, genannt Mariä Sieben Schmerzen [biblischer Name von Kino], sonst Tschinnas de Bamuschil. Wir waren drei Jesuiten, nämlich R. P. Emmanuel Gonsalez als Visitator, P. Joseph de Aquilas, Mission vom genannten Cucurpe, und ich. Der Pater Visitator taufte noch am selben Tag einen sterbenden Heiden, der, weil er der Richter der anderen war, inständig die Taufe begehrt hatte und nach wenigen Tagen gestorben ist.
4.B. Am 14. März, nachdem Pater Visitator den Rückweg genommen hatte, drang ich mit Pater Aquilas weiter gegen Nordwesten vor und traf erneut auf ein Dorf, dessen Bewohner sich Himiris nennen, die uns alle zusammen mit ihrem Landvogt [Herrscher] mit Kreuz und Pfeil und Bogen entgegen gekommen sind und uns beide zum Glück friedlich empfangen haben. Diesem Volk gaben wir den Namen vom Heiligen Ignatio.
Am 15. wendeten wir uns auf einem Umweg zurück zu dem Dorf, wo Pater Visitator den Kranken getauft hatte, das ist nach Mariä Sieben Schmerzen. Auf dem Weg kamen wir erneut zu zwei Dörfern, von denen wir das eine Sankt-Joseph, das andere aber Mariä-Hilfe nannten. In beiden verspürten wir eine Begierde, den christlichen Glauben anzunehmen.
4.C. Am 26. März kamen wir in dem oben genannten Dort Mariae Sieben Schmerzen wieder an, wo ich dreißig Kinder und junge Leute, unter denen auch die zwei Söhne des Landvogts waren, getauft habe. Wir blieben hier bis gegen Ende April und bauten ein Bethaus und einen kleinen Pfarrhof als meine Wohnung. Ich habe einen tüchtigen und begabten Dolmetscher, der mir sehr viel hilft. Die Indianer dieses Dorfes, besonders die Jugend, sind lernbegierig und kommen fleißig zum Unterricht der christlichen Lehre.
Am 27. April besuchte ich nochmal das Dorf des Heiligen Ignatius und taufte dort zunächst die Kinder, bis die erwachsenen Leute im christlichen Glauben genügend unterrichtet sind. Für meinen Lebensunterhalt müssen die nächstgelegenen Missionare das Beste tun, die mir bei ihren beschränkten Möglichkeiten gerne helfen, damit ich in diesem neuentdeckten Weltwinkel [Ecke, Ort] überlebe, der übrigens eine gesunde Luft und eine sehr bequeme Lage besitzt.”
Zu Pater Kino: siehe Kino
4.D. Erneut Gilg:
“So weit lautet der Brief Patris Chini, den er in spanischer Sprache an den indianischen Prokurator nach Europa geschickt hat.” (110)
…………………..
Man hat mir den Pater Marcu Kappus aus der Österreichischen Provinz als Reisegefährten zugewiesen, der die Mission zu Cucurpe an Stelle von Pater Aquilas leiten wird. Wir werden in den nächsten Tagen dorthin aufbrechen, aber nicht vor drei Monaten dorthin kommen. Ich werde sowohl meine Reise als auch das Land Sonora nach den Regeln der Feldmesserei auf Landkarten ordentlich verzeichnen für diejenigen, die Interesse daran haben, von unseren apostolischen Bemühungen Nachrichten zu erhalten.”